Digitale Einfalt

Vor einem knappen Jahr haben mich die Glattbacher zum Gemeinderat gewählt. Gleich anschließend musste ich ein höchst geheimes Postfach für eMails einrichten, in dem die streng geheimen Nachrichten der Gemeindeverwaltung ankommen. Die sind so geheim, dass ich per Unterschrift bestätigen musste, dass nicht einmal meine Frau diese Geheimpost zu lesen bekommt. Kein Problem, denn wir gogeln auf unterschiedlichen Laptops.

 

Dieses Verfahren macht nur dann Sinn, wenn sich alle Beteiligten an strenge Regeln halten, und jetzt wird es seltsam: Die Verwaltung plant ein gesondertes Treffen nur für GR, um ein gewisses Thema zu besprechen. Welches? Das darf ich nicht sagen, geheim. Für dieses Treffen gibt es nur zwei Termine, die in der geheimen eMail nicht verraten wurden. Um mich für einen der beiden Termine entscheiden zu können, muss ich einen LINK anklicken, auf dem mir genaueres mitgeteilt wird. An diesem Punkt wurde mir unwohl, denn das ist die klassische Methode, um einen Trojaner oder Virus auf dem Computer zu installieren.

 

Alle paar Monate bekomme ich vergleichbare eMails: Da schreibt mir ein Dr. Bimbo, dass er in Nigeria das Millionenvermögen meines Ur-Onkels entdeckt hat. Um dieses nach Deutschland zu transferieren, soll ich auf folgenden LINK klicken. Dann können wir Details vereinbaren.

 

Meiner Einschätzung nach ist die Gemeindeverwaltung vertrauenswürdiger als Dr. Bimbo, also klickte ich auf den angegebenen LINK "doodle.com" . Als erstes las ich die Meldung: Ich muss einwilligen, dass meine eMail-Adresse kommerziell weiter verkauft werden darf. Sonst erfahre ich nicht, welche beiden Termine die Verwaltung zur Auswahl stellt. Ich löschte das Programm, bevor es Schaden anrichten kann. Wer weiß, was gleichzeitig im Hintergrund installiert bzw. geändert wird? Wollen die "nur" Adressen sammeln oder wollen die mehr?

 

Vermutlich haben die meisten anderen GR die Weitergabe ihrer eMail-Adressen akzeptiert, weil ihnen egal ist, an wen "doodle.com" ihre Adressen verkauft. Damit hat die Gemeindeverwaltung ihr streng geheimes System gesprengt: Wer dafür bezahlt, darf Duplikate aller zukünftigen eMails an die GR mitlesen, meine Frau darf das nicht. Und die GR dürfen sich auf Werbeangebote und Post von Dr. Bimbo freuen.

 

Ich will Ihnen keine Angst machen, aber: Wer eine eMail bekommt mit der Aufforderung, auf einen LINK zu klicken, darf immer mit bösen Überraschungen rechnen. Sogar dann, wenn er den Absender kennt. Ein LINK enthält immer ausführbare Dateien, die auf dem Rechner fast beliebige Änderungen bewirken können. Der Programmierer bestimmt, welche Ziele er einbaut: Das reicht vom Ausspähen versteckter Inhalte bis zur Zerstörung des Rechners. Die sichtbare Oberfläche ist nur Ablenkung für naive Internet-Nutzer. Das gilt vor allem für Rechner, auf denen das Betriebssystem WINDOWS oder ANDROID läuft. Weniger für LINUX-Rechner, die sind recht selten.

 

Allgemeine Regel: Programmieren ist eine mühsame und zeitraubende Angelegenheit. Niemand verschenkt das Ergebnis seiner Bemühungen, ohne ein Hintertürchen eingebaut zu haben. Man muss schon sehr einfältig sein, wenn man das übersieht.