Praktische Beispiele

Ich habe im Internet Erfahrungsberichte gesucht + gefunden, die auch Sie interessieren könnten. Es gibt den Bericht RWBA_Betrieb_Praxis_2018_Wasig.pdf , in dem 122 RRB vergleichend (auch mit Folgekosten) bewertet werden. Auftraggeber ist das Bundesministerium für Bildung und Forschung, also eine seriöse Adresse. Darin werden ab Seite 99 auch die Baukosten realer Anlagen genannt, hier die beiden größten:

(64) Regenrückhaltebecken, Baujahr=2008, Volumen=18.000 m³, investierte Kosten=894.700 Euro (bezogen auf 2016 incl. Honorar), laufende Kosten=15278 Euro/Jahr
(108) Regenrückhaltebecken, 2005, V=14.790 m³, IK=384.000 Euro, laufende Kosten=9681 Euro/Jahr
Es handelt sich um offene Becken mit Versickerung. So ein Bauwerk ließe sich in Glattbach vor dem Schützenhaus realisieren und wäre bei überschaubaren Kosten innerhalb kürzester Zeit funktionsfähig.
 
 

Die Überflutungen sind eine chronische Krankheit in Glattbach, wie man dem nebenstehenden Artikel des Main-Echo lesen kann.

 

1998 Bürgerprotest wegen Kanal

2002 Plan ist genehmigt

2008 Gemeinderat denkt nach

2009 geplanter Baubeginn

2015 geplante Fertigstellung

 

2020 Nichts ist passiert, das Baugebiet Hohlacker war den Gemeinderäten wichtiger. Einige reagieren eingeschnappt, wenn man sie daran erinnert, dass sich der Gemeinderat nie ernsthaft damit beschäftigt haben, wie man die häufigen Überschwemmungen rund um den Johann-Desch-Platz beseitigen kann. Schon 2002 plante das beauftragte Ingenieurbüro ein Regenrückhaltebecken unter diesem Platz. Was ist daraus geworden? Nichts. Die Gemeinderäte haben den Vorschlag der Experten ignoriert, denn andere Sachen waren immer wichtiger.

 

Deshalb haben bei der letzten Wahl 50% der Bürger die rote Karte gezogen. Die anderen machen weiter, als sei nichts passiert. Wie lange wird das gut gehen?

 

Regenrückhaltebecken - aber richtig!

Du musst immer einen Plan haben. Denn wenn Du keinen hast, wirst Du Teil eines anderen Planes...

 

Wenn der Himmel seine Schleusen über Glattbach öffnet - wohin mit dem vielen Wasser? Am wenigsten nützt es, die Kanalrohre zu vergrößern. Doch genau das empfiehlt das Ingenieurbüro dem Gemeinderat. Wieso? Weil es (nur) Erfahrung im Kanalbau hat und weil der Gemeinderat auf andere Informationsquellen verzichtet.
Was empfehlen Experten mit mehr Überblick? Ausnahmslos alle empfehlen: Rückhaltung vor Einleitung. Regenwasser, das nicht in den Kanal gelangt, kann diesen nicht überlasten und die Straßen und Keller überschwemmen. Rückhaltung von riesigen Regenmengen wie am 10. Mai 2020 erfordert aber große Reserveräume, die sich kaum für andere Zwecke nutzen lassen. Es macht keinen Sinn, für viel Geld einen kleinen Hohlraum unter dem Johann-Desch-Platz vorzubereiten, der wäre nach wenigen Sekunden überfüllt. Außerdem schützt es nicht die Häuser zwischen altem und neuem Feuerwehrhaus. Ein RRB muss vor dem Ort gebaut werden, um diesen zu schützen!
Bei der hydraulischen Bemessung von Misch- und Regenwasserkanälen muss die große Abflussmenge bei Starkregen berücksichtigt werden. Da diese jedoch nur kurz und selten auftreten, können durch den Bau eines Regenrückhaltebecken große Kanalquerschnitte und hohe Baukosten vermieden werden. Alle Gründe sprechen für ein ausreichend dimensioniertes RRB in der Nähe der Jahnstraße.

Berechnungen zeigen, dass in Glattbach unmöglich ausreichend große Kanalrohre eingebaut werden können, um Hochwasser zuverlässig zu vermeiden. Das ist weder vernünftig finanzierbar noch wirtschaftlich, weil bisher Überschwemmungen (noch) nicht zu häufig vorkommen. Es wäre aber problemlos möglich, das Wasser abzufangen, bevor es den Ortskern erreicht. Sobald der Regen vorbei ist, kann es langsam abgelassen werden.

 

Dazu benötigt unser Dorf mindestens ein sehr großes Regenrückhaltebecken oder mehrere kleine. Aber nicht auf einem Hügel, wie es als Notlösung im Rahmen der Baulanderschließung "Auf der Beine" vorgesehen wurde (rot eingezeichnete Einzugsfläche). Es ist Unsinn, dort ein RRB zu errichten. An anderer Stelle wird für das gleiche Geld mehr Wirkung erzielt.

 

Ein RRB ist nur sinnvoll in einem Tal, wo die Fluten tatsächlich fließen. Diese kommen aus dem Glattbacher Wald, aus Richtung Oberafferbach - dort muss ein RRB stehen! Der perfekte Platz ist unter dem Sportplatz des Turnvereins an der Jahnstraße (blauer Kreis), denn dort kann auch Wasser vom Enzlinger Berg zwischengespeichert werden. Nach dem Einbau ist es unsichtbar wie das RRB unter dem Schulsportplatz am Weihersgrund. Fast so gut geeignet ist der ehemalige Festplatz weiter nördlich, kurz bevor die Bachverrohrung beginnt. RRB an diesen Orten würden Regenwasser aus dem 126 ha großen Einzugsgebiet (blau schraffiert) abfangen - 20-mal größer als das kleine Baugebiet "Auf der Beine"!

 

Die Regenmenge (Bemessungsregen) lässt sich mit der Statistik des Deutschen Wetterdienstes recht gut vorhersagen und ergibt folgende Tabelle:

 

Regendauer            1 Jahr        2 Jahre        3 Jahre        5 Jahre      10 Jahre      20 Jahre      30 Jahre      50 Jahre    100 Jahre
5 min 6678 9072 10458 12222 14742 17136 18522 20286 22680
10 Min 10584 13860 15750 18144 21294 24570 26460 28854 32130
15 Min 13104 17010 19278 22050 25956 29862 32130 34902 38808
20 Min 14868 19278 21798 25074 29484 33768 36414 39564 43974
30 Min 17262 22428 25578 29358 34524 39816 42840 46620 51912
45 Min 19278 25578 29106 33768 39942 46116 49770 54306 60480
60 Min 20538 27594 31626 36792 43848 50904 54936 60102 67158
90 Min 22680 29862 34020 39312 46368 53550 57708 63000 70182
2 h 24318 31500 35784 41076 48384 55566 59850 65142 72450
3 h 26838 34146 38556 43974 51282 58716 63000 68544 75852
4 h 28728 36162 40572 46116 53550 61110 65520 70938 78498
6 h 31752 39312 43848 49392 57078 64638 69174 74718 82404
12 h 37548 45360 50022 55818 63630 71568 76104 81900 89838
48 h 53172 64764 71568 80010 91602 103194 109998 118566 130158

 

Die oberste Zeile (lila) gibt die Wartepause zwischen zwei Unwettern an. Die linke Spalte (türkis) die Dauer des Unwetters. Unter einem Bemessungsregen  versteht man ein 15-minütiges Unwetter, mit dem alle zehn Jahre gerechnet werden muss. Für Glattbach sagt die Statistik des Deutschen Wetterdienstes, dass bei einem solchen Ereignis das riesige Wasservolumen 26000 m³ auf das 126 ha große Gebiet nordwestlich der Jahnstrasse regnet (rotes Feld in der Tabelle). Speichert man diese Menge unter dem Sportplatz, wird der Ort nicht überschwemmt. So einfach könnte es sein... Dort oder unter dem Festplatz beim Schützenhaus ist genug Platz. Im Hinblick auf die Klimaänderung könnte man auch zukunftssicher planen und das Speichervolumen größer wählen (grünes Feld). Dann sind auch bei extrem seltenen Jahrhundertfluten keine schweren Überschwemmungen des Dorfzentrums zu befürchten. Möglich sind zwei Varianten:

  1. Die gesamte Grundfläche einschließlich Turnhalle und Parkplatz wird unterkellert, das ergibt bei einem 5 m tiefen "Keller" ein Speichervolumen von 5*5500 m³ = 27500 m³. Anschließend wird die Turnhalle (am gleichen Platz oder beim REWE?) neu errichtet. Falls eine Dreifachturnhalle an einem anderen Platz entstehen soll, kann an der Jahnstraße ein Baugebiet entstehen. Sobald die Bauplätze erschlossen sind, können sie für etwa 1,8 Mio Euro verkauft werden.
  2. Der Festplatz beim Schützenhaus wird als offenes Erdbecken umgestaltet. Dieses muss nicht besonders tief ausgebaggert werden, weil die Fläche nach Norden fast beliebig erweitert werden kann. Das ist die billigste Lösung, benötigt aber mehr Wartung, kann als Abenteuerspielplatz oder Müllkippe zweckentfremdet werden und ist oft ein "Mückenparadies".

Baukosten unter 4 Millionen Euro sollten erreichbar sein, Bauingenieure müssen das überprüfen. Auf jeden Fall ist das die preiswerteste Gesamtlösung für Glattbach, weil der Bau dieses RRB von einer Reihe positiver Nebenwirkungen begleitet wird:

  • Das RRB schluckt das gesamte Regenwasser, das nördlich der Jahnstraße vom Himmel fällt. Südlich davon bleibt der Bachkanal auch während eines Starkregens fast leer - bis das RRB überläuft. Groß genug bauen! Die RRB in Großstädten sind 16 m hoch!
  • Auch der Abwasserkanal vom Enzlingerberg führt viel Regenwasser, das in das RRB umgeleitet wird. Ab Jahnstraße bleibt der Abwasserkanal auch bei Starkregen weitgehend leer.
  • Deshalb kann die Regenflut, die auf den Ortskern fällt, durch zwei parallele Rohre abfließen: Der Hauptteil durch den fast leeren Bachkanal, der Rest durch den Abwasserkanal. Nie wieder Hochwasser entlang der Hauptstraße!
  • Im restlichen Ortsgebiet benötigt man keine weiteren RRB. Einsparung: mindestens 2 Millionen Euro.
  • Der Neubau des Bachkanals kann vor der Metzgerei Henz endgültig beendet werden. Der Durchmesser der alten Kanalrohre mit nur 800 mm Innendurchmesser unter der Hauptstraße genügt, um das Regenwasser abzuleiten, das auf den Ortskern und den Bommichring fällt - falls die zerstörerische Flut aus Nordwesten bereits an der Jahnstraße abgefangen wird.
  • Der Neubau des RRB an der Jahnstraße dauert etwa zwei Jahre und beeinträchtigt nicht den Verkehr in Glattbach.
  • Es wird keine jahrelangen Sperrungen der Hauptstraße geben, um den 800 m langen Bachkanal bis zur Jahnstraße zu erneuern. Von kleineren Reparaturen abgesehen, kann dieser Kanal bleiben, wie er ist. Einsparung: etwa 10 Millionen Euro und viel Ärger für die Anwohner.
  • Ein gigantisches RRB ist wesentlich preiswerter als fünf kleine an unterschiedlichen Plätzen, wie von "Experten" des abgesoffenen Ingenieurbüros Gruber vor 20 Jahren geplant wurde.
  • Der TVG hätte - nach dem Bau einer Dreifachhalle - endlich eine realistische Chance auf eine wettkampfgerechte Handball-Halle in Glattbach. Die Mannschaften könnten Training und Spiele in Glattbach austragen, statt hunderte von Kilometern zu auswärtigen Standorten zu vergeuden. Kein Fahrdienst mehr für die Jugendlichen. Und alle Glattbacher können ein echtes Zuhause bei Handball-Spielen erleben.

Das klingt euphorisch, ist höchstwahrscheinlich aber trotzdem korrekt und verdient eine fachmännische Überprüfung. Diese Kontrolle ist wesentlich billiger als weiteres Drauflos-Buddeln an der Hauptstraße oder der Bau von RRB an ungeeigneten Orten. Das Rechenergebnis wird sein: Hätte man das RRB an der Jahnstraße oder am ehemaligen Festplatz bereits gebaut, wäre die aktuell durchgeführte Bachverrohrung zwischen Apotheke und Pfarrgasse nicht notwendig gewesen. Es hätte keine Tunnelbohrmaschine eingesetzt und verschrottet werden müssen, keine teuren Betonrohre, kein teurer Hauskauf, um es umgehend zu zerstören, keine Entwurzelung der Besitzerin. Man hätte etwa 4.000.000 € und viel Ärger gespart. Glattbach wäre schon jetzt hochwasserfrei. Alles wäre einfacher gewesen, hätte man (unter Mitwirkung von Bürgern!) eine Gesamtsicht der Problematik erarbeitet und sich nicht nur auf Ortsplaner verlassen.

 

Wer bezahlt das alles?

  • Falls Glattbach selbständig bleibt, müssen alle Baukosten von den Einwohnern Glattbachs aufgebacht werden, es gibt keine Zuschüsse. Die Gemeinde muss den Bau durch einen Kredit vorfinanzieren und wird deshalb den Wasserpreises, die Kanalgebühren und die Grundsteuer erhöhen. Weil das nicht ausreicht, muss sie zusätzlich Ergänzungsabgaben einfordern, deren Höhe noch unbekannt ist.
  • Am 15. März 2020 haben die Bürger neue Gemeinderäte gewählt. Manche wollen Verhandlungen mit der Stadtverwaltung Aschaffenburg mit dem Ziel einer Eingemeindung aufnehmen, andere nicht. Wenn Ende 2020 die finanziellen Folgen der durch Corona verursachten Krise offensichtlich werden, kann mit einem Umdenken gerechnet werden. Bis dahin sind die meisten Gemeinderäte optimistisch, dass alles so weitergehen wird wie bisher.

Die Baukosten des RRB an der Jahnstraße sind sicher sehr hoch, die Einsparung durch nicht erforderliche Ausgaben dürfte aber deutlich höher sein. Es kommt auf die Gesamtsumme der Hochwasserbeseitigung an und nicht auf den Preis einzelner Bauwerke!

 

 

Fragen? Vorschläge?

Falls Sie entdeckt haben, dass irgend ein Detail unrichtig oder unvollständig dargestellt wurde, schreiben Sie mir. Jede eMail wird sofort beantwortet.

Hinweis: Bitte die mit * gekennzeichneten Felder ausfüllen.