Aus einem anderen Land (Teil 1)...

In vielen Gemeinden ist Vieles historisch gewachsen oder hingebogen oder ganz einfach vermurkst worden. Nicht alle wurden/werden gleich behandelt, manche Bürger (oder ihre Vorfahren) haben sich da Vorteile erschwindelt oder erkauft und leben jetzt ganz gut damit. Andere wundern sich: Wie konnte es nur so weit kommen? Wieso macht da keiner was?

 

Manchmal könnte man etwas machen, will aber nicht. Worum es jetzt geht, hat NICHTS mit Glattbach zu tun, ich schwör! Es ist eine erfundene Geschichte, ich bin Märchenerzähler, meine Phantasie macht Bocksprünge.

 

Vor langer Zeit hat sich die kleine Gemeinde "Kuschelhausen" in zwei Lager gespalten: Entweder Ist man Mitglied im Verein A oder im Verein B. Mit den jeweils "anderen" spricht man nicht, das sind gewissermaßen Aussätzige. Verein A hat gute Verbindungen zum Bürgermeister, darf sich einen Sportplatz bauen und der einzige Zufahrtsweg führt durch den Gemeindewald. Diesen Weg baut niemand, er fällt eines Tages vom Himmel und ist da. Obwohl er offiziell nicht existiert, pflegt ihn die Gemeinde und baut sogar einen Kanal, denn jeder Sieg wird ausgiebig begossen und auch Fussballer müssen mal Pipi machen. Das fällt unter die Rubrik "Vereinsförderung".

 

An diesem Weg, den es nicht gibt, will sich jemand ein Haus bauen. Das geht nicht, weil man nur auf einem erschlossenen Grundstück bauen darf. Wenn dieser "jemand" ein Wegerecht hätte, dürfte er bauen, sogar mehrere Häuser, diese dann verkaufen und reich werden. Problem: An diesem Weg, den es nicht gibt, gibt es weitere Grundstücke mit anderen Besitzern. Was einer darf, kann man dem anderen nicht verwehren (Präzedenzfall). Das macht Appetit: Vorhersehbar werden weitere Wegerechte beantragt und weitere Häuser gebaut werden. In wenigen Jahren wird der Weg, den es nicht gibt, zu einem Neubaugebiet mit vielen Häusern führen. Alle brauchen Strom, Telefon, Wasser und aus allen kommt Abwasser, das die Gemeinde irgendwie entsorgen muss. Und weil vor jedem Haus Autos stehen werden, wird der Weg, den es nicht gibt, bald zu schmal sein. Dann muss die Gemeinde den Weg, den es nicht gibt, runderneuern: Breite Straße mit Beleuchtung, breit genug für die Feuerwehr. Ein neuer Kanal und mehr... Ein Glück, dass Kuschelhausen im Geld schwimmt das alles aus der Portokasse bezahlen kann.

 

So etwas gibt es nicht? In welcher Welt leben Sie? Der "Freizeitpark Sonneck" liegt in der Gemarkung Großostheim, ist aber von Stockstadt leichter zu erreichen und wird von dort mit Wasser versorgt. Das Abwasser? Man weiß nicht genau, wohin das "entsorgt" wird, irgendwo wird es schon ein Loch geben. Jahrzehnte langer Streit, Abbruchverfügungen für die vielen Schwarzbauten, Prozesse und das gesamte Programm. Die Gemeinde Großostheim hat jede Menge Freude am "Sonneck".

 

Damit ist diese Phantasiegeschichte, die mir zwischen zwei Tassen Kaffee eingefallen ist, vorläufig zu Ende. Mal abwarten, ob mir eine gute Fortsetzung einfällt. Ein Glück, dass es nicht um Glattbach geht.

 

 

Ausweg?

.. die Phantasie geht weiter... Wieder geht es nicht um Glattbach geht, wir sind schließlich nicht der Nabel der Welt. Es geht um Kuschelhausen, irgendwo weit weg.

 

Da hat "jemand" eine Wiese am Waldrand, schön gelegen, groß und kostenlos, auf der "jemand" einige Häuser bauen + verkaufen will. Wenn da nicht das Problem mit der Straße wäre. Wie will "jemand" Häuser teuer verkaufen, wenn er nicht einmal eine Hausnummer angeben kann? Weil es nur einen Weg ohne Namen gibt. Wie kann man dieses Problem lösen? Ein guter Draht zum Bürgermeister kann ja nicht schaden, aber am GR geht kein Weg vorbei. Der Bürgermeister von Kuschelhausen - mit offensichtlich geringer Ahnung von langfristigen Folgen  - schlägt vor, das Wegerecht einfach so und ohne Gegenleistung (zumindest was die Gemeindekasse betrifft) zu verschenken. Viele, vielleicht sogar die meisten GR von Kuschelhausen sind überfordert und nicht in der Lage, die juristischen Konsequenzen ihrer Entscheidung zu überdenken. Und wer hat schon Lust, sich irgendwo "schlau" zu machen, bevor er sich irgendwie entscheidet. Nicht nur in Kuschelhausen pflegen die GR den Brauch, Vorschläge des Bürgermeisters nicht lange zu diskutieren, sondern abzunicken. Dann ist die GRS früher zu Ende und niemand ist haftbar für seine Entscheidung. Welche Entscheidung? Gibt es andere Möglichkeiten als den Vorschlag des Bürgermeisters?

 

Gibt es. Man kann auch den Spieß umdrehen und "jemand" den Weg, den es nicht gibt (rechtlich ist das ein Stück des gemeindeeigenen Waldes) zum Kauf anbieten. Wenn jemand vier Häuser bauen und verkaufen will, ist ein Preis von 70.000 € angemessen. "jemand" muss sich darum kümmern, dass der Weg seinen Wüschen entsprechend ausgebaut ist und im Grundbuch eingetragen wird und er darf im Winter selbst Schnee räumen. Im Gegenzug erhält die Gemeinde und der Verein Wegerecht zum Fussballplatz. Ein sehr symmetrisches Geschäft: "jemand" darf mehrere Häuser bauen und die Gemeinde Kuschelhausen kassiert die entsprechenden Erschließungskosten. 

 

Der wohl größte Vorteil für die Gemeinde: Es gibt keinen Präzedenzfall und die Gemeinde muss nicht befürchten, dass weitere Anlieger dieses Waldweges Wegerecht einfordern können. Der Weg ist ja nicht mehr ihr Eigentum. Wie werden sich die GR von Kuschelhausen entscheiden?

 

Fortsetzung folgt. Stay tuned.

 

 

Leute gibt's

Wie viele Arten gibt es, Politik zu machen? Ich weiß es nicht, es scheint aber mehr zu geben, als ich bisher vermutete. In einer Demokratie versuchen Politiker/Parteien, möglichst viele Wähler davon zu überzeugen, dass sie deren Wünsche besser als die Konkurrenz durchsetzen können. Allerdings habe ich jetzt Zweifel, ob sie diese dann auch erreichen wollen. Oder ob es nur Versprechungen sind, um an die Macht zu kommen. Nein, es geht nicht darum, dass Politiker/Pateien ihre Wahlversprechen nicht durchsetzen können, weil sie nicht über die absolute Mehrheit verfügen. Es geht darum, dass manche Poliker bewußt auf jegliche Rückmeldung aus der Bevölkerung verzichten, um ungestört die eigenen Pläne durchzusetzen.

 

Damit Sie verstehen, was ich meine, eine 30 Jahre alte Geschichte: Der Enzlinger Berg wurde erschlossen und bis oben hin bebaut. Bald beschwerten sich die Bürger über den unerträglichen Lärm der viel befahrenen Straße in den Kahlgrund. Sie wollten einen Lärmschutzwall und 50 betroffene Bürger unterschrieben einen Antrag an die Gemeindeverwaltung. Der damalige Bürgermeister machte sich lustig: Wieso soll ich auf 50 Unterschriften reagieren? Glattbach hat 3000 Einwohner und die meisten merken nichts von dem Lärm. Es dauerte lange, bis der Lärmschutzwall dann doch gebaut wurde, weil die Proteste nicht aufhörten.

 

Hätten Sie auch so reagiert wie der Bürgermeister? Wieso war gegen den Bau des Lärmschutzwalls? War er erfolgreich?

 

Gestern hatte ich eine interessante und sehr ausführliche Diskussion mit einem einem anderen Glattbacher Politiker. Es verfügt über langjährige Erfahrung, ich bin Neuling und neugierig darauf, zu verstehen, wie denn die praktische Politik funktioniert. Ich lasse mal alle Diskussionspunkte weg und will nur eine übergeordnete Beobachtung diskutieren: Dieser Politiker X ist Verfechter der "repräsentativen Demokratie". Das bedeutet: Nach dem er (genauso wie andere auch) von ausreichend vielen Bürgern gewählt wurde und nun Gemeinderat ist, verzichtet er sechs Jahre lang auf jede Diskussion mit Bürgern. In den kommenden Jahren wird er versuchen, seine Pläne durchzusetzen und will dabei möglichst nicht gestört werden. Wenn die Bürger damit nicht zufrieden sind, sollen in sechs Jahren eben andere Gemeinderäte wählen. Bürgerbefragungen lehnt er generell ab.

 

Diese Einstellung verstehe ich nicht, sie widerspricht meiner Vorstellung, wie eine Demokratie ablaufen soll: Ich bin auch Gemeinderat und suche Gespräche mit Bürgern. Das ist für mich die einzige Möglichkeit, herzubekommen, was die Bürger erwarten und benötigen. Woher soll ich wissen, was die Anwohner der Hauptstraße plagt, wenn ich auf einem Berg an einer ruhigen Seitenstraße wohne? Ich sehe mich als Vertreter der Bürger und weil ich nicht allwissend bin, brauche ich Kontakt zu Andersdenkenden. Das ist (für mich) die einzige Möglichkeit, dazuzulernen. Immer nur mit Gleichgesinnten zu diskutieren, verengt den geistigen Horizont. Das will ich um jeden Preis verhindern. Und wenn es um teure und unwiderrufliche Entscheidungen geht, wünsche ich mir eine Bürgerabstimmung, weil ich nicht in die Köpfe der Bürger horchen kann.

 

Das Konzept "repräsentative Demokratie" leidet unter einem prinzipiellen Mangel: Nur wer gewählter Gemeinderat ist, ist intelligent genug, um zu wissen, was gemacht werden muss. Die Bürger sind prinzipiell zu dumm dazu und es ist wertlos, mit "denen" zu sprechen. Beim Bürgerentscheid "Hohlacker" konnte man erkennen, wozu diese Selbstüberschätzung der Politikerkaste führt: 68% Zustimmung machte alle Gemeinderäte fassungslos. Sie hatten wirklich keine Ahnung, von welcher Lawine sie überrollt werden, weil sie vorher auf jeglichen Kontakt zu den Bürgern verzichteten. Bis zuletzt waren sie zufrieden mit sich und ihren Entscheidungen.

 

Viele Gemeinderäte waren einsichtig und haben aufgegeben, nachdem sie erkannt haben, in welche Sackgasse sie Glattbach geführt haben. Andere verfolgen das alte Rezept tapfer weiter. Das Konzept  "repräsentative Demokratie" verleitet die gewählten "Volksvertreter" dazu, sich selbst zu wichtig zu nehmen. Leider ist diese kranke Einstellung offenbar weit verbreitet. Gibt es Globuli dagegen?