...was ist das?

In der Physik versteht man unter dem Begriff "Transparenz" so viel wie "Durchsichtigkeit" oder "Durchblick" - man kann den Hintergrund erkennen und beobachten, was da passiert, ohne selbst Einfluss zu nehmen. Das kann sehr interessant sein, weil man sich so seine Gedanken macht, was da warum passiert. Nicht immer ist der Beobachtete erfreut darüber, dass ihm jedermann zusehen kann bei seinem Tun. Dann zieht er den Vorhang zu oder mauert das Fenster ganz zu.

 

In meinem Haus habe ich auch Orte, wo ich keine Zuschauer brauche, beispielsweise die Toilette. Das ist mein Privatbereich, der niemanden etwas angeht. Problematisch wird es aber, wenn eine öffentliche Institution wie die Gemeindeverwaltung Glattbach jegliche Transparenz vermeidet und sich nicht beim Regieren zusehen lassen will. Wieso wird - bei gewissen Themen - mit allen Mitteln verhindert, dass die Bürger mitbekommen, was da wieso beschlossen wird? Beispiele:

 

* Nach Abriss der alten "Glattbacher Mühle" sollte der Bachkanal unterirdisch bis zum Weihersgrund neu verlegt werden. Dafür setzte die Baufirma auf Drängen des Gemeinderats eine Tunnelbohrmaschine ein, die wegen einer mangelhaften Bodenuntersuchung Ende 2016 im Geröll steckenblieb. Die Maschine konnte erst nach neun Monaten geborgen werden, nachdem ein Haus abgerissen wurde. Was sagte der Gemeinderat dazu? Nichts, in keinem Protokoll findet man eine Anmerkung über Ursachen, Auswirkungen und Kosten. Wen wundert da, dass wilde Gerüchte im Dorf kursieren: Vier Millionen Euro könnte der Gesamtschaden betragen haben, den die Bürger bezahlen müssen, weil aus irgend welchen Gründen keine Versicherung dafür aufkommen muss. Wieso hat der Gemeinderat allem zugestimmt? Man hört nur Schweigen.

 

* Das Baugebiet Hohlacker scheiterte 2013 im ersten Anlauf, weil viele Grundstückseigentümer trotz eines Verkaufspreises von 300 €/m² nicht die Erschließungskosten von 100 €/m² bezahlen wollten. Pause. Dann entdeckten (beteiligte) Gemeinderäte eine elegante Möglichkeit, die Erschließungskosten deutlich zu reduzieren, hielten diese aber trotz Nachfragen geheim. Am 21.11.2015 stand in der Zeitung, dass es nach zweijähriger Pause weitergehen wird. Bürgermeister Fuchs gab sich optimistisch, dass eine Belastung der Bauwilligen mit den bisherigen Kosten nicht passieren werde. Welche Lösung haben die Gemeinderäte gefunden?

a) Ein Bauunternehmer bietet an, alle Arbeiten zu einem ermäßigten Preis auszuführen (eher unwahrscheinlich, es geht um 3.000.000 € Differenz)

b) Man hat Dumme gefunden, die die Differenzkosten bezahlen werden, obwohl sie nichts davon haben. Den Gewinn streichen die Grundstückseigentümer ein, freuen sich darüber und schweigen. Wer könnten die Dummen sein?

Auch hier das gleiche Muster: Es gibt keine öffentliche Gemeinderatssitzung, in der über die Finanzierung des Projektes diskutiert wurde. Es gab nur einen Beschluss ohne Details, der in vielen "nicht-öffentlichen Klausuren" vorbereitet wurde. Bürger, die nachfragten, wie das alles finanziert werden soll, wurden abgewimmelt: "Kommt später!" Das überzeugte nicht jeden. Am 14.10.2018 wurden die weiteren Planungen durch einen Bürgerentscheid beendet.

 

Die Folgen dieser Geheimniskrämerei: In der Kommunalwahl 2020 wurden 2/3 der Gemeinderäte von den Bürgern ausgetauscht. Und die Wahl des Bürgermeisters ging äußerst knapp aus: 50,17% der Wähler entschieden sich für einen Bürgermeister, der so weitermachen will wie bisher. 49,83% wollen, dass sich der Gemeinderat bei der Stadtverwaltung erkundigt, welche Vor- und Nachteile eine Eingemeindung für uns Bürger bringen könnte. Dieser Wunsch, alle Fakten zu erfahren, bedeutet nicht, dass die Bürger eine Eingemeindung wollen. Sie wollen sich nur selbst ein Bild machen dürfen, ob es nicht besser wäre, sich der großen Nachbarstadt anzuschließen. Dafür benötigen sie ungefilterte Fakten und keine Vorurteile, offene Diskussionen und kein Gemauschel hinter verschlossenen Türen. Es ist unverständlich, wieso der Bürgermeister Baier diesen Wunsch so vehement ablehnt. Welche Vorteile hat er davon? Wieso  missachtet er den dringenden Wunsch von 50% der Bevölkerung? Es wäre erstaunlich, wenn diese Ignoranz sechs Jahre lang gut geht.

 

Sich ein Bild machen - dazu benötigt man Transparenz, einen ungetrübten Blick auf alle Fakten. Diesen Einblick werden die Bürger bekommen, entweder durch eine vernünftige Entscheidung der Gemeinderäte oder durch einen Bürgerentscheid. Eine Frage ist keine Vorentscheidung. (Männer fragen nicht) In einer Demokratie gibt es kein Zuviel an Diskussionen, allenfalls ein Zuwenig. Falls das Angebot der Stadt überzeugt, können die Bürger - in einem weiteren Bürgerentscheid - abstimmen, ob sie eine Eingemeindung wünschen (oder auch nicht).

 

Den historischen und unwiderruflichen Vorgang einer Eingemeindung darf man nicht einer knappen Mehrheit im Gemeinderat überlassen. Schon 1928 schrieb Kurt Tucholsky im Rückblick auf den ersten Weltkrieg: Der Krieg ist eine viel zu ernste Sache, als dass man ihn den Militärs anvertrauen könnte.

 

Vertrauen ist gut..

..Kontrolle ist besser. Beim Ausschluss der Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen muss jeder Anschein vermieden werden, dass „hinter verschlossenen Türen“ unsachliche Motive für die Entscheidung maßgebend sein könnten. Das kann nur gelingen, wenn bei Themen der nicht-öffentlichen Sitzungen die wenigen gesetzlich vorgeschriebenen Auflagen strikt beachtet werden. Das hat unseren Bürgermeister nie interessiert und die Gemeinderäte haben geschwiegen. In der bayerischen Gemeindeordnung Art. 52 (2) heißt es: Die Sitzungen sind öffentlich, soweit nicht Rücksichten auf das Wohl der Allgemeinheit oder auf berechtigte Ansprüche einzelner entgegenstehen. Für alle Probleme rund um die verschüttete Bohrmaschine oder die Planung des Baugebietes "Hohlacker" gilt das genaue Gegenteil. Was die Bürger Glattbachs brennend interessiert hat, wurde verheimlicht. Schlimmer noch: Die Bürger haben nicht einmal erfahren, worüber die Gemeinderäte diskutiert haben, denn sogar die Themen wurden verschwiegen. Der Gemeinderat hat massiv gegen das Gesetz verstoßen und ist deshalb fast vollständig ausgetauscht worden. Die Liste Glattbach! ist angetreten, vergleichbare Verfahrensfehler in Zukunft zu unterbinden.

 

Beim Öffentlichkeitsprinzip geht es also zentral um Vertrauen. Um Vertrauen zwischen Bürgern und ihren Vertretern. Die Gemeinderäte haben nicht nur die Aufgabe, bei sachlichen Entscheidungen der unzulässigen Einwirkung persönlicher Beziehungen, Einflüsse und Interessen auf die Beschlussfassung des Gemeinderats vorzubeugen. Sie müssen allein den Anschein davon verhindern. Hier kommt Transparenz ins Spiel: Transparenz wirkt Misstrauen entgegen und bildet Vertrauen. Denn je transparenter eine Verwaltung, eine Gemeindevertretung mit ihren Informationen umgeht und je mehr sie Gründe z.B. für den Ausschluss der Öffentlichkeit nachvollziehbar macht, desto größer und begründeter wird das Vertrauensverhältnis.

Kommunalpolitiker und Kommunalverwaltungen haben gegenüber den Bürgern einen Informationsvorsprung. Bürgermeister und Gemeinderäte wissen üblicherweise mehr darüber, was in der Gemeinde vor sich geht und geplant ist, als die Bürger. Gleichzeitig haben sie auch die Informationshoheit: sie entscheiden, welche Informationen an Bürger weitergegeben werden und welche nicht. Besonders krass war das beim Baugebiet Hohlacker: Sie haben monatelang geplant, ohne die Öffentlichkeit darüber zu unterrichten. Einige Gemeinderäte haben das ausgenutzt, um sich rechtzeitig mit Bauerwartungsland einzudecken. In keinem Fall nutzte die Verwaltung das Vorkaufsrecht, obwohl im Haushalt der "kerngesunden" Gemeinde ausreichend Geld bereitgestellt war. Die einen haben gute Geschäfte eingefädelt, die anderen schauten untätig zu. Wurden wirklich nur die Interessen der Bürger bestmöglich vertreten?

 

Ausschluss der Öffentlichkeit

Es gibt Argumente, manche Themen in nichtöffentlichen Sitzungen zu behandeln:

  1. die Gemeinderäte können ungezwungener und offener reden, wenn nicht jedes Wort gleich nach Außen dringt. Vor allem kann am nächsten Tag die Zeitung nicht darüber berichten.
  2. Kritische Themen, die in der Gemeinde zu Widerspruch oder Widerstand führen könnten, können einfacher, schneller und ohne lästige Diskussionen entschieden werden.
  3. man weckt keine falschen Erwartungen. Berät man zum Beispiel öffentlich, einen der beiden Glattbacher Kindergärten mit einem Container zu erweitern, könnten bei Eltern Hoffnungen geweckt werden. Dann ist die Enttäuschung groß, wenn sich die  Erweiterung als unmöglich herausstellt.

Diese Gründe mögen verständlich und bequem sein, sie sind aber nicht rechtmäßig. Denn die Gemeindeordnung regelt ganz klar, wann vom Öffentlichkeitsprinzip Ausnahmen gemacht werden dürfen: Wenn entweder das Wohl der Allgemeinheit oder wenn berechtigte Interessen Einzelner durch die Öffentlichkeit bedroht würde.

Es gibt auch keinen Ermessensspielraum: entweder muss die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden – also wenn die Ausnahmetatbestände erfüllt sind – oder die Öffentlichkeit darf nicht ausgeschlossen werden. Es ist unrechtmäßig, Themen öffentlich zu behandeln, die nichtöffentlich verhandelt werden müssten. Es ist aber auch unrechtmäßig, Themen nichtöffentlich zu behandeln, die eigentlich öffentlich behandelt werden müssten.

 

Das Problem: die Formulierungen „Wohl der Allgemeinheit“ und „berechtigte Interessen Einzelner“ sind unbestimmt und schwammig. Sie ermuntern zu absichtlicher Fehlinterpretation:

  • Anstatt sich zu fragen: „gibt es einen Grund, dass wir die  Öffentlichkeit ausschließen müssen
  • wird lieber gefragt: „finden wir einen Grund, der uns ermöglicht, die Öffentlichkeit auszuschließen“.

Die Bürger erfahren davon nichts, sie sollen auch nichts erfahren. Wenn der Bürgermeister vorschlägt, dass etwas ungestört diskutiert werden soll, kann er meist mit der Zustimmung der Gemeinderäte rechnen. Kritische Zuhörer sind unerwünscht und die Bürger erfahren nicht einmal, ob "beteiligte" Gemeinderäte (mit Eigeninteressen) kräftig mitdiskutieren, obwohl sind nicht einmal anwesend sein dürften. Insgesamt ein sehr undurchsichtiges Verfahren, weit entfernt von Transparenz. Die Bürger sind machtlos.

Das gläserne Rathaus

In München gibt es seit zwölf Jahren ein "Rats-Informations-System", in dem man viele Dokumente der Stadtverwaltung findet, aber längst nicht alles. Das hat ein interessierter Bürger vor fünf Jahren verbessert. Seitdem gibt es die Internetseite "München Transparent - Kommunalpolitik leicht gemacht", die sehr gelobt wird. Die Nutzer - darunter Mitarbeiter der Stadtverwaltung - sind begeistert.

 

Das Beste ist an beiden Systemen ist, dass die Stadtverwaltung mit offenen Karten spielt und die Bürger  auch über die Themen nicht-öffentlicher Sitzungen informiert. Nicht über den Inhalt und das Ergebnis, das bleibt geheim. In Glattbach ist diese Offenheit unvorstellbar. Bisher wurde immer geheim gehalten, worüber in nicht-öffentlichen Sitzungen diskutiert wurde, auch und vor allem dann, wenn die Diskussion laut Gesetz hätte öffentlich stattfinden müssen. Ob sich das jemals ändern lässt?

 

Ein Umdenken erfolgt sehr langsam, den Bedenkenträgern fallen immer neue Gründe für Geheimhaltung ein. In Neumarkt/Oberpfalz gehen die Ansichten von Stadtrat und Landratsamt weit auseinander, wie man hier lesen kann.

 

Und die Bürger sind ahnungslos

Vor 22 Jahren ging es in Glattbach hoch her: Eine Bürgerinitiative forderte, dass die Gemeinde endlich etwas gegen die häufigen Hochwasser am Johann-Desch-Platz unternimmt. Ich brauchte für meinen Alternativ-Vorschlag "1000 Zisternen" Daten wie Straßen- und Dachflächen, die von der Gemeindeverwaltung verweigert wurden. Also rief ich an beim zuständigen Ing-Büro und bat um Daten. Die Antwort: Die Daten sind bekannt, dürfen dem Weidner aber nicht mitgeteilt werden. So hat das Bürgermeister Fuchs angeordnet. "Austrocknen" nennt man das, von allen Datenquellen abschneiden, dann wird er schon aufhören mit seiner Rechnerei. So war es dann auch.

 

So wie in Glattbach wird auch anderswo versucht, die Bürger mit möglichst wenig Information zu versorgen. Unwissende Bürger finden keine Begründungen, um sich zu beschweren. Und sie können nicht dazwischenfunken, wenn ein Projekt in aller Ruhe geplant wurde.